6. Januar 2016

Das Erwachen der Macht des Nerds

Star Wars VII - das Erwachen der Macht schickt sich an, der erfolgreichste Film aller Zeiten zu werden. Er rennt und rennt, und bald scheint es keine Krisen oder Probleme in der Welt mehr zu geben. Die Kritiken sind überragend, etwa bei Rotten Tomatoes. Dabei ist der Film, selbst für den Maßstab von Fans der Serie, doch … schlecht?
Star Wars VII ist womöglich der am besten bewertete mäßige Film aller Zeiten. Ja, er ist aufwändig produziert, charmant, hat großartige Bilder und alte Helden sind zu sehen, aber selbst Fanatikern fallen die sternenzerstörer-großen Plotschwächen auf. Es werden Versatzstücke aus alten Filmen hergenommen, die Handlung springt wild, der Böse ist ein Bubi, scheinbar dem Harry Potter-Universum entsprungen. Ich bin Fan von Star Wars seit meiner Jugend, aber von meinen Kinobesuch neulich sind nicht mehr als ein paar Szenen hängengeblieben. Der Film ist so voll träger, geradezu fauler Story-Ideen, das kann kein Zufall sein. 
Das Interessante ist nun: Das schert niemanden. Der Film wird geliebt, vor allem dafür, dass er sich wie das alte Star Wars anfühlt. Die Marketingmaschine Disney hat alles richtig gemacht, in dem es die Hardcorefans bediente, die Nerds.
Nerds sind beliebt (nicht ohne Grund ist die Geekserie Big Bang Theory eine der erfolgreichsten Sitcoms schlechthin). Nerds sind internetaffin, daher Meinungsmacher und auch Experten auf ihrem Gebiet. Nerds sind nicht erz- aber ziemlich konservativ: Experimente, Wagnisse bei Star Wars gab es einst und wurden böse abgestraft, daher gibt es das nicht mehr. Stattdessen liegt der Fokus auf der Produktion und hier bei den Details. Die werden nämlich genaustens bewertet, vermessen, gefeiert, oder manchmal auch verrissen. Deswegen sieht Star Wars VII genauso aus, wie es aussieht. Der verehrte, 2013 verstorbene Kinokritiker Roger Ebert schrieb 2002 zum Vorgängerfilm Star Wars II
„… what about the agnostic viewer? The hopeful ticket buyer walking in not as a cultist, but as a moviegoer hoping for a great experience? Is this "Star Wars" critic-proof and scoff-resistant? Yes, probably, at the box office.”
Ich dachte das gleiche wie Ebert, als ich den neuen Teil sah (sein Zitat recherchierte ich erst später): Was ist mit dem normalen Zuschauer (wie mich)? Er scheint für diesen Film als Zielgruppe nicht existent zu sein, jedenfalls wird er nicht anvisiert. Besser ist, Fan-Fiction zu liefern, um so genügend Buzz zu erzeugen. Offensichtlich ist das ein Trend: Um großes Hollywoodkino wertzuschätzen, muss man dieser Tage Comicexperte sein. Die Batman-Trilogie etwa wurde bald gefeiert, als hätte Regisseur Nolan das Kino neu erfunden. Sicher, es sind spannende, aufwändig inszenierte Filme. Aber der Stoff – ein erwachsener Mann zieht ein Fledermauskostüm mit spitzen Öhrchen an und haut bösen Menschen eins auf die Mütze - kann doch nicht wirklich für das oberste Regal taugen? Wer außer Nerds kann das ernsthaft als großes Kino ansehen? 
Die Macht des Nerds umgibt uns, sie durchdringt uns, sie hält die Galaxis zusammen: Das Nerdtum ist in der Gesellschaft verbreitet und nicht nur ein Internetphänomen. Analog gibt es im Fußball die Ultras, die ganze Vereine vor sich hertreiben oder die geradezu manischen "Schland"-Fussballfans. Ebenso sind diese Vorreiter einer breiten Schar von Mitläufern.
Die Zeit meint, Star Wars VII ist reine Selbstreferenz. Ich meine, es ist Fanfiction.

Update:  Dieser Artikel bringt es detailliert und wortgewaltig ebenso auf den Punkt.




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