16. Dezember 2016

Über das Jahr 2016

 Das ...

 ... ist das Urteil der sozialen Netzwerke. Auch sehr beliebt: „Warum ist 2016 so ein Arsch?“
2016 geht als Chaos-Jahr in die Geschichte ein. Aber wenn die Ereignisse allesamt urplötzlich aufzutreten scheinen, täuscht das: Um in den Schlamassel von Brexit, Trumps Wahl, Reaktion, Krisen und Flüchtlingschaos zu geraten, haben wir ordentlich Anlauf genommen. Die unschöne Geschichte vom Jahr 2016 beginnt meines Erachtens vor zwei Jahrzehnten.

8. Dezember 2016

Podcast #3 - Angela Merkel

Der dritte Podcast ist da.

Jens Hirt und ich versprechen uns heute gerne, aber kommen trotzdem ans Ende des Satzes.
Das Thema: Angela Merkel. Eine Bilanz ihrer Kanzlerschaft. Und: wie sieht eine mögliche Zukunft mit ihr an der Spitze aus?
Hier anzuhören. Viel Spaß.

Über Feedback freuen wir uns in den Kommentaren.


27. November 2016

Viva Fidel



Man fühlt die Zeit wie Sand durch die Finger ringen, wenn die großen Namen der eigenen Jugend sterben.
Jetzt also auch der Maximo Lider, Fidel Castro. Der Mann, der seine Karibikinsel von Mafiagangstern, CIA und deren Marionetten-Diktator Batista befreite. Und der sie zunehmend wie ein Bleigewicht vom Aufbruch in die Moderne abhielt.

25. November 2016

Die große Frage

"Wo fing das an, was ist passiert, was hat dich bloß so ruiniert?" - Die Sterne

Wenn die Symbolfigur für alles Schlechte in den USA amerikanischer Präsident wird, wirft das einen Mount Everest an Fragen auf. Der Journalismus in den USA gewinnt daher mächtig an Fahrt: Es erscheinen überragende Texte zur Zustandsbeschreibung der Gesellschaft. Wenigstens das.
Aber angesichts der trüben Aussicht Trump reicht das nicht. Wir brauchen auch nicht diskutieren, ob ein Vergleich Hitler - Trump sinnvoll ist (Er ist es nicht: Hitler war rechtsrevolutionärer Ideologe und wollte Krieg um jeden Preis. Trump ist Demagoge ohne politische Philosophie). Eher stellt sich langsam die große Frage, ob in den USA das Gesellschaftskonzept gescheitert ist.

15. November 2016

Der Ausnahmezustand Neuzeit Podcast Nr. 2

Endlich haben wir einen neuen, zweiten Podcast! Er ist um die 36 Minuten lang und beschäftigt sich mit den US-Wahlen, natürlich.
Der heutige Titel:
"Welche Rolle spielten die Medien bei der Wahl Trumps?"
Gute Unterhaltung.

Wir hoffen und sind optimistisch, dass weitere Podcasts noch dieses Jahr folgen.

10. November 2016

Metajournalismus - weshalb man sich geirrt hat.


Es war ein kurzer Augenblick von "Clinton springt nur so hoch, wie sie muss", "Trump hätte ein Wunder gebraucht, um gewinnen zu können", "Clinton ...to win the White House" und "Clinton has solid lead...." zu "Der Ernstfall" oder "Schock. Donnerschlag".
Sehen wir einmal großzügig davon ab, was wir für Demokratien haben, wenn die Wahl eines Mannes, der etwa gleichviel Stimmen bekommt, wie die einzige Alternative, die Welt in den Abgrund stürzen kann - Dazu mehr in "Eine neue Ordnung Teil III." - Fragen wir uns stattdessen, wie sich die westlichen Medien so irren konnten?

14. Oktober 2016

Wabos

Lothar-Günther Buchheim berichtet in „Das Boot“ davon, wie die Alliierten im Zweiten Weltkrieg deutsche U-Boote jagten: Die Zerstörer warfen mit Sprengstoff gefüllte Metallfässer ins Meer. Diese Wasserbomben versanken mit mehreren Metern pro Sekunde und zündeten bei einer zuvor eingestellten Tiefe. Wasserbomben, abgekürzt Wabos, mussten nicht genau treffen. Explodierten sie innerhalb eines gewissen Radius’, sorgte die Druckwelle für ein Zerbersten des U-Boots (die Darstellung im Film "Das Boot" ist also falsch: dort explodieren die Wabos direkt am U-Boot, das hätte in Wirklichkeit die sofortige Zerstörung bedeutet): Riss der etwa 50 Meter lange Druckkörper nur minimal auf, lief er aufgrund des Wasserdrucks in drei Sekunden voll, heißt es. Keine Ahnung, ob das so war, und ob die Männer sofort tot waren oder quallvoll ertranken, jedenfalls, mein Großonkel Bruno soff so ab.

24. September 2016

Eine neue Ordnung Teil II (Die Herausforderungen)

Wir haben in Teil I also argumentiert, dass unsere Politiker aktuell ein trauriges Bild abgeben. Das ist sicher nicht nur die "Schuld" der aktuellen Politikerkaste. Auch viele Bürger haben sich in gesättigten Wohlstandsgesellschaften bequem darin eingerichtet, die Erfolge ihrem eigenen Engagement, so klein es auch sein mag, zuzuschreiben, die Misserfolge und Schwierigkeiten aber den Politikern zuzuschieben. Demokratie ermöglicht es freien Menschen eben auch, die Schuldigen selbst zu bestimmen. Aus Sicht der Politiker verschwindet wiederum der Citoyen, also der eigenverantwortlich das Gemeinwesen mitgestaltende Bürger. Der Politikwissenschaftler Dolf Sternberger hatte unter „Staatsernst“ nicht das Recht gemeint, sich zu beklagen, sondern eine aktive Verantwortung der Staatsbürger für ihr Staatssystem. Wir haben also nicht nur schlechte Politiker sondern auch schlechte Bürger. Das ist natürlich eine Frage der Perspektive. Weshalb also können "wir uns nicht mehr ausstehen", wie Rocketrocker gerne sagt?

16. September 2016

Der Ausnahmezustand-Neuzeit Podcast Nr.1

Jens Hirt und ich haben einen Podcast aufgezeichnet, eine neue Spielart unseres Blogs Ausnahmezustand Neuzeit.
Themen sind: Die Post-War Ära und was Historiker von ihr lernen können, sowie: Sind TV-Serien die Romane des 21. Jahrhunderts? 
Länge: Ungefähr 50 Minuten.
Das Aufnehmen hat uns viel Spaß bereitet, ich denke, wir werden bald öfters einen Podcast anbieten. Gute Unterhaltung!


9. September 2016

Eine neue Ordnung Teil I

Anbetracht der Herausforderung durch meinen Freund und Co-Autor Rocketrocker, der meinen privaten Diskussionsbeitrag "Politik gehört abgeschafft" online gestellt hat, muss ich mich jetzt also doch erklären. Denn so steht die Aussage allzu intellektuell entblößt da. Weshalb gehört Politik abgeschafft? Politik ist nicht stabil. Sie verändert sich und steht unter dem Einfluss unterschiedlichster Entwicklungen. Demografie, Wirtschaft, Umwelt usw. Manchmal ist sie mit ihren Lösungen am Ende, manchmal muss das gesamte lange bewährte Modell neu überdacht werden. Da dies auch einmal geschehen kann, bevor eine Katastrophe ausbricht, hier bereits einige Überlegungen. Weshalb ich in Teil I erst einmal Anfang und mögliches Ende der uns vertrauten Demokratie beschreibe:

7. September 2016

Mecklenburg-Vorpommern

Von wegen! Fair ist die geplante Umverteilung der Gelder nur für die absolute Spitze. Unten kommt wenig an, an der Basis nur noch ein Siebtel! Dazu berücksichtigt der Verteilungsschlüssel künftig Erbhöfe: Galt man etwas in den letzten Jahren, erhält man Boni. Zerbricht Europa?

27. Juli 2016

Trumpbrexit


Dieser Artikel geistert gerade durch die sozialen Medien. Der Autor Tobias Stone glaubt, die Apokalypse sei nah, weil die Geschichte in Zyklen vollzogen werde. Er vergleicht die Pest mit dem ersten Weltkrieg und Hitler und auch mit Trump. Immerhin, sei alles vorüber, wäre die Rasse Mensch gestärkt, schließlich seien Alte, Kranke und Schwache ausgesiebt worden. 
Stone produziert Nonsens und das so mangelhaft, dass ich darauf nicht näher eingehen möchte. 
Wenn jemand nach einer anständigen Erklärung für die aktuellen Krisensymptome der westlichen Gesellschaften sucht, der kann dennoch auf Stones Beitrag klicken: 

23. Juli 2016

Game of Thrones

Die beliebteste Serie der letzten Jahre, Game of Thrones, biegt langsam auf der Zielgeraden ein, es werden nur noch wenige Folgen erscheinen. Das Epos stellt keinen reinen Fantasy-Eskapismus dar, eher stehen die Menschen, ihre Gesellschaft und ihre Konflikte im Zentrum. Autor George R.R. Martin (ich referenziere im Folgenden auf den Autor des Roman-Epos, weniger auf die TV-Macher) erschuf dutzende plastische Charaktere, starke Dialoge und überraschende Plot-Wendungen, der Ton ist düster, impulsiv, brutal, gerne erotisch und auch nachdenklich. Game of Thrones ist also keine schale Scheibenwelt. Inwiefern können wir von dieser epischen Saga etwas lernen?

20. Juli 2016

al-Baghdadis Helfer. Der Ruhm der Verlierer.

Seit dem Anschlag von Würzburg jagt ein Bericht den nächsten. Von Sondersendung zu Sondersendung stellen wir uns die Frage: Wer war der Attentäter? Ein Verwirrter? Ein Islamist? War er integriert? War er wirklich Afghane? Um sein Psychogramm zu erstellen, werden seine Mitmenschen befragt. Wir erfahren, dass er "sympathisch, freundlich und entspannt war." Das ist alles sicherlich aufregend. Solange man selbst nicht Opfer wird. Es sind aber die falschen Fragen. Wir sollten fragen: Was braucht ein Attentäter, um im Westen zum erfolgreichen Terroristen des Daesh (in den Medien der "Islamische Staat") zu werden?

20. Juni 2016

Mutmaßungen über Britannien am Vorabend der Brexit-Abstimmung

Fragen Sie sich auch, was das mit der britischen EU-Abstimmung eigentlich soll? Dass die Brexit-Diskussion irgendwie absurd ist (und mittlerweile auch gefährlich)? Niemand sonst, etwa in Frankreich, Italien oder Deutschland träumt davon, die neue Schweiz oder das neue Singapur zu werden. Wirtschaftlich gesehen geht es um ein paar Milliarden Euro und mancher Beobachter glaubt, die Debatte wird eigentlich nur von Fremdenangst und -hass getrieben. Weil Großbritannien ein Einwanderungsland ist, soll es die EU verlassen. "Take back control" rufen die Gegner, als hätten die Briten ihre Souveränität in Brüssel abgegeben.
Erstaunlich wirkt die Emotionalisierung der Debatte, durch sie wird die Abstimmung womöglich eng. Warum nur diese totale Aufwallung, warum diese heftige Polarisierung? Ein paar Überlegungen.

19. Juni 2016

Artikel zum Talk "Blickwinkel"

Screenshot der Ausgaben #1 und #2 des Hochschulmagazins obacht.
Dem studentischen Sprachrohr der HMKW Berlin.
#2 text robert rienass layout leyla demirhan Seite 23

18. Juni 2016

ARD, ZDF und die Europameisterschaft. Ein Lob.

Dass die Glaubwürdigkeit der Medien sinkt ist kein Grund zur Schadenfreude. Vielmehr verstärkt es das Bauchgefühl, in einer krisenhaften Epoche zu leben, in der die wichtigsten Institutionen immer weniger im Griff haben.
Gerade die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten provozieren durch eine oft selbstgerechte Haltung, die sich auf den Wettbewerbsvorteil der Haushaltsabgabe stützt. Diese ist als Nachfolger der lustigen GEZ-Spione eine Steuer, die Wohnungsbewohner zwingt, Öffentlich-Rechtliche Medien zu konsumieren. Wer sich jetzt denkt „das gibt es doch nur in Weißrussland“, der sei auf den WDR-Chefredakteur Jörg Schöneborn verwiesen, der die Steuern als „Demokratie-Abgabe“ bezeichnet. Ich halte es hier eher mit der Kanzlerin und beklage unsere „Zwangsmitgliedschaft“ (min 3:20).

13. Juni 2016

Schland

Wenn nun gleich #dieMannschaft spielt bei der Fußball-Europameisterschaft, öffnen sich Abgründe für Nicht-Fußball-Fans. Sogar seriöse Nachrichtensendungen machen gerne mit der Ankunft des Nationalteams am Stadion auf (aktuell ist die Euphorie aufgrund des unfassbaren Massakers in Orlando/Florida allerdings gedämpft).
Schland ist seit dem Sommermärchen 2006 dauerhaft trending topic. Behauptet man gegenüber Schland-Fans, die Europameisterschaften von 2000 und 2004 seien die besten Turniere überhaupt gewesen, löst man Kopfschütteln aus, da die Deutschen jeweils früh ausschieden. Dabei widersprechen nur wenige Experten und Fußballliebhaber dieser Meinung.

10. Juni 2016

Werden Sie US Präsident!

Zu meinen Lebzeiten und in meiner Erinnerung gab es noch nie zwei Präsidentschaftskandidaten, die so unbeliebt waren. Die Skurrilitäten des politischen Maniac Donald Trump sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen. Deshalb sei nur sein jüngster Unterstützer genannt: Nordkoreas Diktator Kim Jong Un.
Hillary Clinton ist ein Politprofi. Das klingt nur für Europäer vielversprechend.

2. Juni 2016

Zur Armenienresolution

Der britische Abenteurer T. E. Lawrence verarbeitete 1919-1926 seine Erlebnisse im Orient in "Die sieben Säulen der Weisheit". Aus diesem Werk der Weltliteratur stammt der bis heute bekannteste Text über das Schicksal der Armenier: "Die Männer hatte man hingerichtet. Die Frauen und Kinder mitten im Winter nackt und hungrig in die Wüste hinaus getrieben. Jedem Vorüberkommenden zur Beute - bis der Tod sie erlöste. Die Jungtürken hatten die Armenier vernichtet." Dass es Völkermord war, ist nicht nur hierzulande Common Sense. Also gibt es wohl an der Tat der „Jungtürken“ keine Zweifel. Das Deutsche Kaiserreich war mit ihnen verbündet und sah gerne weg – brauchte man die Türken doch als einen der letzten Verbündeten im Ersten Weltkrieg. Wer aber hat unsere Parlamentarier zu Historikern gemacht? Ein Urteil ist Aufgabe der Historiker, nicht die unserer Parlamentarier. Eine Verurteilung wäre Aufgabe eines Gerichtshofes, nicht die unserer Parlamentarier. Diese haben die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenlebens zu gestalten und zu bewahren.

30. Mai 2016

Das Unwetter und die Medien

Heute Nacht ist ein schweres Unwetter über Teile Süddeutschlands hinweggefegt. Es gab Tote und Verletzte. In Braunsbach, in der Hohenlohe im nördlichen Baden-Württemberg, sieht es aus, als wäre ein Damm einer Talsperre gebrochen: Es wirkt, als wäre ein Gewitter heruntergekommen, wie es im Schnitt nur alle 100 Jahre geschieht.
Der Wetterservice von Jörg Kachelmann, den ich auf Facebook abonniert habe, veröffentlichte den ganzen gestrigen Tag Warnhinweise. Etwa gab es mehrere Livestreams von Meterologen, mit vielen Detailvorhersagen. Mir war stundenlang klar, dass sich da etwas zusammenbraute, obwohl ich gar nicht in Süddeutschland wohne. Verließ man sich dagegen auf die normalen Nachrichtenseiten, glaubte man allenfalls, ein Gewitter sei im Anmarsch.

5. Mai 2016

Trumps Triumph

Donald Trump hat die Vorwahlen zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten gewonnen, seine Widersacher Ted Cruz und John Kasich haben soeben aufgegeben. Der Populismus gewinnt in der republikanischen Partei Oberhand, zumindest vorläufig. Sascha Lobo kommt zu dem Schluss:
"Trumps Erfolg hängt stark mit medialen Entwicklungen zusammen und basiert auf der Ablehnung von "Politischer Korrektheit", Trumps vermeintlicher Unabhängigkeit von Medien und Geld und auf Irrationalität." 
Die Analyse ist lesenswert, dennoch greift sie zu kurz. Anders als Lobos Kolumne suggeriert, hängt Trumps Erfolg nur zum kleineren Teil mit aktuellen Entwicklungen zusammen. Trumps Wähler fühlen sich hinters Licht geführt. Und das hat Ursachen, die sich schon vor der Internet-Ära manifestierten.

22. April 2016

Zum Tod von Prince, David Bowe und den ganzen anderen

"2016 ist ein Arschloch" heißt es in den sozialen Medien zur Zeit gerne. Der hilflose Spruch drückt die Ohnmacht darüber aus, dass unheimlich viele Prominenten-Lieblinge und Stars dieses Jahr vorzeitig versterben. Soeben hat es Prince erwischt. Eine Reihe Musikgrößen verschieden bereits Ende 2015, etwa Scott Weiland, Lemmy Kilmister und Natalie Cole, im Januar diesen Jahres folgten David Bowie, im März Roger Cicero. Insgesamt ist Liste der vorzeitigen Prominenten-Tode noch weitaus länger: Es starben 2016 bereits der langjährige FDP-Chef Guido Westerwelle, der vielleicht beste Fußballer des 20.Jahrhunderts Johan Cruyff, Roger Willemsen, Frank Sinatra junior, der langjährige Kinderfernsehen-Star Peter Lustig, Musiker Glenn Frey (The Eagles), der Schauspieler Alan Rickman und der Ost-Star Achim Menzel. Und dies ist nur eine (subjektive) Auswahl. Wer regelmäßig in den sozialen Medien unterwegs ist, glaubt, alle paar Tage sterben große, wichtige Menschen. Was ist bloß los in dieser Welt?

20. April 2016

Earn Profits globally, leave losses locally - zur Flüchtlingskrise.

Nachdem die Route über den Balkan geschlossen und das Abkommen der EU mit der Türkei in Kraft gesetzt wurde, fallen die Zahlen der Migranten in Mitteleuropa. Die Krise flaut ab. Doch das ist nur eine Atempause, das Flüchtlingsdrama wird weitergehen. Noch sehr lange.

15. April 2016

Der Fall Böhmermann, das geheime Zusatzprotokoll und Merkels Abstieg

An diesem „elenden Freitag“ (Die Welt) hat sich unsere Bundeskanzlerin auf der Seite eines beleidigten Autokraten und gegen die Pressefreiheit positioniert. Erdogan hatte bereits einen persönlichen Strafantrag gestellt. Zusätzlich setzte er Merkel unter Druck, indem er auch noch einen Majestätsbeleidigungsparagraphen 103 aus Kaisers Zeiten gegen den Satiriker Böhmermann ins Felde führte. Sie zögerte und beriet sich. Dann trat sie zur hochoffiziellen Verlautbarung an, um mitzuteilen, sie gebe Erdogans Gesuch nach Anwendung des Paragraphen 103 freie Bahn, denn es sei alles eine Sache der Justiz. Die war ja aber bereits ohne Merkels staatstragende Performance durch Erdogans persönlichen Strafantrag involviert. Wem das noch nicht rückgratlos und konfus genug ist: In derselben Rede erklärte sie, den Paragraphen abschaffen zu wollen, denn er werde nicht mehr gebraucht? Am Ende dieses Satzes ist ein Fragezeichen mehr als angebracht.

3. März 2016

Gegen den Kriege, gegen die Außenpolitik. Pazifistische Überlegungen anhand Max Webers „Politik als Beruf“.

Das Folgende kann im Kontext des grauenvollen Stellvertreterkrieges in Syrien gelesen werden. Es hätte aber auch schon viel früher verfasst werden können.

Die Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols
Es gibt ein menschliches Bedürfnis nach Kampf und Sieg, Ruhm und Ehre und vor allem nach Überlegenheit und Macht. Das gebräuchlichste Mittel zur Durchsetzung der genannten Ziele: Gewalt. Diese wurde in Europa über Jahrhunderte frei ausgelebt. Bis das staatliche Gewaltmonopol die Anarchie beendete. Der Soziologe Max Weber bezeichnete 1919 in „Politik als Beruf“ Gewalt als das spezifische Mittel des Staates. Dafür sorgen Institutionen wie Verwaltung, Justiz, Polizei, Militär. Wenn Weber die Beziehung von Gewalt und Staat aufgrund ihrer Exklusivität als „besonders intim“ bezeichnet, zieht er damit den Vergleich mit einem Liebespaar, dessen Intimität alle anderen ausschließt. Nur dass es sich eben um ein Gewalt- und nicht um ein Liebesmonopol handelt. Wir modernen Staatsbürger betreiben heute Sport oder unsere Karrieren als Hegung der Gewalt. Wir sind domestizierte Krieger. Das kanalisiert die Energie Einzelner derart positiv im Interesse der Gemeinschaft, dass allenthalben Höchstleistungen erzielt und erwartet werden. Doch Politik wirkt nicht nur nach innen. Sie ist auch das Streben nach Machtverteilung und Machtdemonstration zwischen Staaten - oder zwischen Staaten und außerhalb stehenden Gruppen, wie z.B. zwischen der ISAF und den Taliban. Und was im Inneren gut ist, führt im Äußeren in ein tragisches Dilemma: Gewalt zur Durchsetzung der genannten Ziele in zwischenstaatlichen Beziehungen hat kein Monopol. Wenn beide Parteien zur Gewaltausübung legitimiert sind tendiert der Konflikt zur Eskalation.

25. Februar 2016

Hitler versus Trump

Dieser Artikel der Washington Post vergleicht den Erfolg Donald Trumps im amerikanischen Vorwahlkampf mit dem Aufstieg Adolf Hitlers. Natürlich sei ein direkter Vergleich Hitler/Trump nicht akkurat, so Autorin Danielle Allen, die Frage sei vielmehr, warum Demagogen ein gespaltenes Land damals wie heute für sich nutzen können. Sie ruft zur Geschlossenheit auf, Republikaner und Demokraten müssten gemeinsam Trump als Präsidentschaftskandidat verhindern, dass sei die Lehre des Endes der Weimarer Republik. Nun mag Amerika gespalten sein, Trumps Erfolge erstaunlich und Allens Alarmruf richtig. Dennoch hinkt der Vergleich Weimar - USA massiv.

9. Februar 2016

Das deutsche Fernsehen angesichts des Todes von Roger Willemsen

Fans trauerten auf Facebook und Twitter, auch Newsmedien, Fernsehen und Zeitungen brachten große Nachrufe: Der Autor und TV-Moderator Roger Willemsen ist mit 60 Jahren gestorben. Das ist wirklich traurig, denn Willemsen hatte die außergewöhnliche und seltene Gabe, Unterhaltung und Anspruch zu vereinen. Er war schlagfertig und belesen, charmant und kritisch, unterhaltend und intellektuell zugleich. Ein Kuriosum in Deutschland.
Zur Schande des Mediums wendete Willemsen sich recht früh vom TV ab. Er war desillusioniert, er glaubte nicht mehr an das Fernsehen, es war ihm zu quotenorientiert. Willemsen passte nicht in die deutsche Fernsehlandschaft: Neben Gründen wie Quotendruck und unflexiblen Strukturen ist das vor allem unserer Kultur geschuldet.

2. Februar 2016

Der demokratische Thriller

Der Vorwahlkampf in den USA hat mit den Caucuses in Iowa begonnen (Cruz gewann vor Trump bei den Republikanern, Clinton knapp vor Sanders bei den Demokraten) und die Medien überschlagen sich. Gerade sehen wir besonders schön, wie die Maschinerie tickt: Einerseits ist die Deutung der Ergebnisse natürlich wichtig, zwecks Einordnung der Lage. Andererseits ist der Ventilator, mit dem heiße Luft verföhnt wird, gigantisch (Ein beispielhaftes Narrativ: Clinton muss sich warm anziehen. Dieser alte Sozialist Bernie Sanders, der die Jugend auf seiner Seite hat, hat nicht verloren, sondern gewonnen. Aus dem nichts nur 0,3 Prozent weniger als Clinton! Und das ihr, der das Weiße Haus quasi schon gehörte!). Ein typisches Medien-Schauspiel. Es gibt aber etwas, was untergeht, leider. Mich fasziniert es:

15. Januar 2016

„The Revenant“ in aller Kürze

Respekt für Regisseur Alejandro G. Iñárritu. Er wagte viel: Zum Beispiel das Team bis an die Schmerzgrenze zu treiben. Und sich beim Erzählen ganz der Kamera zu überlassen. Damit schaffte er es, einen altbekannten Stoff in einer völlig belanglosen Variante das 100 und 1ste mal zu erzählen – und daraus dennoch eine Pionierarbeit zu machen.

11. Januar 2016

Wieso Ausnahmezustand Neuzeit?

Einflussreiche Medienwissenschaftler wie Marshall McLuhan und Vilém Flusser haben angenommen, dass unsere auf Schriftkommunikation basierende Zivilisation nur ein Ausnahmezustand in der Menschheitsgeschichte sei. In Antike und Mittelalter fand Kommunikation v.a. über die Sinneswahrnehmungen statt. Im Privaten herrschten Gerüche und Geschmack – allzu oft Gestank und Übelkeit – und im Öffentlichen wurde Macht repräsentiert. D.h. sie wurde durch eindrucksvolle Gesten öffentlich kommuniziert. Die Neuzeit institutionalisierte nach Gutenbergs Buchdruck die Schrift und Universitäten wurden die neuen Kirchen, Wissen ersetzte Glauben.

6. Januar 2016

Das Erwachen der Macht des Nerds

Star Wars VII - das Erwachen der Macht schickt sich an, der erfolgreichste Film aller Zeiten zu werden. Er rennt und rennt, und bald scheint es keine Krisen oder Probleme in der Welt mehr zu geben. Die Kritiken sind überragend, etwa bei Rotten Tomatoes. Dabei ist der Film, selbst für den Maßstab von Fans der Serie, doch … schlecht?