25. Februar 2016

Hitler versus Trump

Dieser Artikel der Washington Post vergleicht den Erfolg Donald Trumps im amerikanischen Vorwahlkampf mit dem Aufstieg Adolf Hitlers. Natürlich sei ein direkter Vergleich Hitler/Trump nicht akkurat, so Autorin Danielle Allen, die Frage sei vielmehr, warum Demagogen ein gespaltenes Land damals wie heute für sich nutzen können. Sie ruft zur Geschlossenheit auf, Republikaner und Demokraten müssten gemeinsam Trump als Präsidentschaftskandidat verhindern, dass sei die Lehre des Endes der Weimarer Republik. Nun mag Amerika gespalten sein, Trumps Erfolge erstaunlich und Allens Alarmruf richtig. Dennoch hinkt der Vergleich Weimar - USA massiv.

  1. Eine Gegenüberstellung der beiden Systeme verbietet sich eigentlich. Auch wenn die USA manch krisenhafte Entwicklungen plagen, die Demokratie funktioniert. Die Weimarer Republik dagegen nicht: Die erste deutsche Demokratie war ein blutjunges, wackeliges Konstrukt, gebaut auf Neuland und stand von rechts wie links grundsätzlich infrage.
  2.  Allen beruft sich auf Hannah Arendt, die konstatierte, dass viele Deutsche die Nazis und ihre Kriege hassten, aber wenig bis nichts dagegen taten. Genau den Fehler gelte es zu vermeiden, so der Artikel. Dazu passend, lese ich zufällig gerade Willi Peter Reese. Er war ein junger, intellektuell beschlagener Soldat an der Ostfront. Sein ergreifender Bericht „Mir selber seltsam fremd“ ist erschütternde Antikriegsliteratur. Doch Reese fragt selten bis nie, wer an diesem Krieg Schuld ist: Obwohl kein Freund des Regimes, begriff er den Kampf im Wesentlichen als hässliches, unmenschliches Naturereignis. Reese verkörpert in fast schon kitischiger Weise das Klischee des abgehobenen Dichters und Denkers. In Teilen der deutschen Intelligenzija tat man irdisches wie Politik gerne ab, stattdessen räsonierte man lieber über Erhabenes, Ideale, Vergeistigung, Inwendung. Die angelsächsische Kultur hingegen besitzt eine lebhafte und pragmatische Streitkultur und damit, so meine These, andere Abwehrkräfte gegen den Populismus als einst Weimar. 
  3. Der Hitler der 20er und frühen 30er Jahre erscheint nicht nur als Demagoge, sondern auch als geschickter politischer Ränkespieler. Trump ist nicht nur neu im Geschäft, er wirkt auch apolitisch. Aber vor allem vertrat Hitler eine Ideologie, ein radikal anderes, menschenverachtendes Weltbild. Trump bietet nur alten, illiberalen und realitätsfernen Erzkonservatismus.

Vielleicht sollten wir also den Vergleich nicht zu hoch hängen, vielleicht treibt Allen nur die nackte Angst um. Aber natürlich bleibt die Frage, warum man angesichts der Zustände im US-Vorwahlkampf plötzlich an Weimar und seine Populisten denken muss.
Die Weimarer Republik existierte während einer Zeit des Wandels, einer Transformationsphase, die schwere Krisen mit sich brachte. Sie war das alte Kaiserreich noch nicht wirklich losgeworden, schlug sich aber schon mit neuen Problemen der Moderne herum.   
Auch in der heutigen Zeit ist ein Wandel spürbar: Seit den 70er Jahren löst die Dienstleistungsgesellschaft zunehmend die Industriegesellschaft ab. Die Technisierung und Digitalisierung schreitet fort und die Standard-Formel für diese Herausforderungen hieß bisher Neoliberalismus. Doch diese Antwort befriedigt nicht mehr: Jahrzehnte der Ökonomisierung, Rationalisierung und Effizienzsteigerung ermöglichten den USA zwar den Sprung in das 21.Jahrhundert, ließen dabei aber Teile der Gesellschaft außen vor.
Hitlers Aufstieg begann mit der Massenarbeitslosigkeit, Trump erzielt Erfolge in einer Zeit, in der die Walmart-Erben mehr besitzen als das untere Einkommensdrittel in den USA. Es ist absurd und gleichzeitig bezeichnend, dass gerade Trump, ein Profiteur dieser Entwicklung, reüssiert. 
Vielleicht sollte eine weitere Lehre aus Weimar sein, das Grundübel, die Ursachen der Spaltung zu bekämpfen und Reformen einzuleiten. Die, die auf der Suche nach Rezepten sind, greifen auf Altbewährtes zurück: Bernie Sanders, der linke Kandidat im demokratischen Vorwahlkampf, ist bei der Jugend sehr beliebt. Doch ob er den Königsweg kennt? Sanders möchte ich einen „rationalen Populisten“ nennen. Was ich damit meine, dazu hoffentlich bald ein weiterer Post.




1 Kommentar:

  1. Der Vergleich Danielle Allens erinnert an die ehemalige deutsche Justizministerin Däubler-Gmelin, die George Bushs aggressive Außenpolitik 2002 analog zu der zweifellos ebenfalls aggressiven Außenpolitik "Adolf Nazis" setzte - und fortan keine große Rolle mehr im Kabinett Schröder und in der deutschen Politik spielte. Währenddessen betrieb der derart in historisch unliebsame Gesellschaft geratene Bush den Dritten Golfkrieg und goss damit weiter Öl ins Feuer eines der Urkonflikte unserer Zeit. Dennoch war der "Hitler-Vergleich" wohl eher aus Däubler-Gmelins Abneigung gegen den hemdsärmligen US Präsidenten entstanden, denn aus eifrigem Studium der Geschichte. So kommt es mir auch beim Artikel der Washington Post vor. Die Unterschiede zwischen Weimar und Trump-Amerika sind so groß, dass Rocketrocker ein Buch hätte schreiben müssen, um sie alle aufzuzählen. Zutreffen würde es erst, wenn der politische Außenseiter durch eine schlecht durchdachte Abmachung etablierter Kräfte ins Amt gehoben würde. Dort müsste er dann deren Hoffnung durchkreuzen, sich kontrollieren zu lassen, und sich sich stattdessen nicht nur als durchtriebenes Polit-Talent sondern auch als verbrecherischer Wahnsinniger herausstellen. Aber wer weiß, vielleicht haben Internet und Historiker wie Daniele Ganser ja auch recht und die Twin Towers reihen sich beim Sender Gleiwitz und dem Golf von Tonkin ein? Wenn dem so wäre, bräuchte die amerikanische Demokratie keinen Trump mehr als ihren Totengräber. Dann würde ich Danielle Allen sogleich ein Buchprojekt in Tradition Oswald Spenglers vorschlagen. "Der Untergang des Abendlandes" erschien 1918, also pünktlich zur Geburt der Weimarer Republik.

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