9. September 2016

Eine neue Ordnung Teil I

Anbetracht der Herausforderung durch meinen Freund und Co-Autor Rocketrocker, der meinen privaten Diskussionsbeitrag "Politik gehört abgeschafft" online gestellt hat, muss ich mich jetzt also doch erklären. Denn so steht die Aussage allzu intellektuell entblößt da. Weshalb gehört Politik abgeschafft? Politik ist nicht stabil. Sie verändert sich und steht unter dem Einfluss unterschiedlichster Entwicklungen. Demografie, Wirtschaft, Umwelt usw. Manchmal ist sie mit ihren Lösungen am Ende, manchmal muss das gesamte lange bewährte Modell neu überdacht werden. Da dies auch einmal geschehen kann, bevor eine Katastrophe ausbricht, hier bereits einige Überlegungen. Weshalb ich in Teil I erst einmal Anfang und mögliches Ende der uns vertrauten Demokratie beschreibe:

Früher zogen die Germanen hinter einem von Gottesurteilen und Kriegerversammlungen gewählten Anführer in Dreiecksformation in die Schlacht oder überfielen imperialistische Italiener aus dem Hinterhalt. Das war prima für die damaligen Germanen. So prima aber wohl auch wieder nicht, denn sogar die Sieger des Teutoburger Gemetzels vor über 2000 Jahren lebten statt in ihren feuchten dunklen Wäldern dann doch lieber im Römischen Reich mit all seinen Annehmlichkeiten wie Kanalisation und - wenn man es weit brachte - Fußbodenheizung. Dort herrschten Diktatoren, die mit dem ersten "Cäsar" Augustus nicht nur die Oligarchie der Senatoren abgelöst hatten sondern sogar eine eigene einheitliche Kunst formten, die, so aufregend sie dem geneigten Touristen auch heute erscheinen mag, den Zeitgenossen als eintönige Gleichmacherei galt. Noch mehr wohl den Griechen, die jene "klassische" Kunst in vielen Spielarten etabliert hatten. Sie hatten noch etwas anderes etabliert: Die Demokratie. Lassen wir einmal beiseite, dass ihre Besten, die Athener, Sklaven hielten und Frauen nicht mit abstimmen ließen. Dass sie die Todesstrafe praktizierten und dass ihr großer Denker Platon mit seinen Ansichten ein Fall für unseren Staatsschutz wäre. Sie setzten sich mit ihrer Idee der Politik als Mehrheitswillen durch. Gegen die Oligarchen und gegen die  Cäsaren der Römer. Gegen ihre größten Feinde im Osten, dem Persischen Weltreich, das von gottgleichen Großkönigen regiert wurde. Und natürlich auch gegen die archaische Ordnung unserer bärtigen Vorfahren aus den nebligen Wäldern. Das war allerdings ein harter Kampf. Zuerst musste die Idee vor dem dunklen Aberglauben des dunklen Mittelalters bewahrt werden. Ein Aberglaube, in dem unsere Anführer, der Adel und der Klerus, uns gerne belassen hätten, zementierte er doch ihre Macht. Aber als 1789 ihre Köpfe rollten und aus Aufklärung Industrialisierung wurde, war die Herrschaft des Volkes nicht mehr aufzuhalten. Und was hat uns die Demokratie nicht alles gebracht? Die große Hoffnung Amerika, die allgemeinen Menschenrechte, die Emanzipation und - Europa allgemein und uns Deutschen ganz persönlich - die Befreiung von Hitlers Faschismus. Dabei sind Ideen wie Demokratie und Menschenrechte durchaus normativ zu verstehen. Sie wurden stets von Vielen im Munde geführt, aber nur selten wirklich radikal umgesetzt. Dennoch geht es uns europäischen Menschen heute besser als jemals zuvor in der Geschichte. Das mag trotz Bankenkrise und 60 Millionen Flüchtlingen zynisch klingen. Aber Historiker Yuval Noah Harari und Statistiker Hans Rosling - bald Nobelpreisträger vermute ich - pflichten mir nach Kräften bei. Was folgt daraus? Die Menschheit entwickelt sich im großen Rahmen weiter, wobei dramatische Rückschläge sie immer wieder an die Grenze der Selbst-Ausrottung führen. Und die Demokratie hat ihr Wesentliches dazu beigetragen. Sie war eine Verbesserung gegenüber Gottkönigen, Cäsaren und anderen Polit-Monstern. Frei nach James Surowiecki ist die Mehrheit halt doch schlauer als der oder die allmächtige Einzelne. Ja,  trotz Brexit. Aber vor der Demokratie gab es Anderes. Und die Menschen mussten irgendwann bereit gewesen sein, sich weiter zu entwickeln. Die Demokratie ist eine politische Idee, die dafür sorgt, dass wir nicht besser oder schlechter regiert werden, als wir es verdienen (George Bernard Shaw). Zudem wählen wir die künftigen Schuldigen selbst. Ich möchte keineswegs - wie Rocketrocker - die Errungenschaften der Moderne in Frage stellen. Aber ich möchte anregen, sich jetzt von der etablierten Politik zu entfernen und eine demokratische Form zu finden, die den Zeiten angemessen ist. Weshalb ist das nötig? 
Das Gefühl, in einer krisenhaften Epoche zu leben, verbreitet sich. Populisten und Nationalisten rufen längst besiegte Dämonen auf den Plan. Kriege sind immer noch das Mittel zur Lösung der Politik. Fragen Sie die Menschen im Irak und in Syrien. Fragen Sie Obama, Putin, Hollande usw. Zudem rufen Forscher gerade jetzt das Anthropozän aus, also die Zeit in der der Mensch den Planeten formt. Dabei handelt es sich um sehr langfristige Entwicklungen. Somit sind Wahlperioden von z.B. vier Jahren schädlich. Denn sie verweigern sich großen Entscheidungen, da sie sich der Masse des Augenblicks anbiedern müssen. Und unsere Politiker? Leider die würdeloseste Truppe seit Gründung der BRD. Nehmen wir das Handeln in der Flüchtlingskrise. Was ist aus Gabriels Vorschlag geworden, den Nordafrikanischen Staaten die Entwicklungshilfe zu kürzen, wenn sie Intensivstraftäter nicht zurücknehmen? Und was aus seiner Idee, den Staaten Osteuropas die EU-Fördergelder zu streichen, wenn sie sich nicht an der Lösung der Krise beteiligen? Nichts! Denn diese Vorschläge waren ebenso wie die Obergrenze und das andere Abschiebungsgezeter von Anfang an plumper Populismus, der im Auswärtigen Amt,  bei Juristen und im BMZ ob ihrer Undurchführbarkeit nur Kopfschütteln auslöste.Obwohl Gabriel seinem politischen Ahnherr Willy Brandt nicht einmal hätte in den Mantel helfen dürfen, ist er nur ein Beispiel unter vielen. Unser Innenminister (min 1:34) schien keinerlei Ahnung zu haben, wie die Realität der Bundesgrenzschützer/Polizei in der heißen Phase aussah. Oder verkaufte auch er das Volk nur für dumm? Dasselbe gilt für seine Beschuldigung der Ärzte? Bei niemand klafft die Diskrepanz zwischen seriösem Aussehen und unseriösem Handeln soweit auseinander wie bei de Maizière.Und die Kanzlerin? Als Gegnerin der Wiedervereinigung und Fürsprecherin eines deutschen Kriegseintritts im Irakkrieg, dem Urkonflikt von Daesh und Syrien-Krieg, hätte sie nie in die politische Verantwortung kommen dürfen. Trump meinte, sie müsse ihr Volk sehr hassen. Ich fürchte, da hat sogar der vielleicht mal recht. Und zur Flüchtlingskrise? Ob sie nun zur Totengräberin der EU wird, die Deutschen spaltet oder den Nazis ein Comeback verschafft. "Wir schaffen das", würde bei sich keinen Flüchtling aufnehmen, verkauft - den moralisch durchaus nötigen Kraftakt - "ihrem" Volk aber als wirtschaftliche Rettung vor der Überalterung.
Diese Schwäche der Politik führt zur Expansion anderer Systeme. Denn die Gesellschaft besteht aus einem austarierten mit- und Gegeneinander von Teilsystemen wie Justiz, Medizin, Religion, Privatheit, Politik, Sicherheit usw. Alle diese Systeme tendieren zur Expansion. Medizin wird Experimente an Alzheimerpatienten durchführen, weil es für sie sinnvoll ist. Sicherheit wird unser gesamtes Leben durchsichtig machen, weil es für sie sinnvoll ist. Justiz wird jeden unserer Schritte reglementieren, weil es ihre Aufgabe ist. Markante Beispiel für expandierende Systeme: Die Religion im christlichen Mittelalter und das Militär im wilhelminischen Deutschland. Das all dies nicht geschieht, Systeme ihre Aufgabe absoluter Perfektion also nicht zur Vollendung bringen können, ist ein Verdienst der jeweils anderen Teilsysteme. Sie erzeugen Gegendruck. Justiz beschränkt Mediziner und Sicherheitsapparate. Familie, Religion beschränken die Justiz. Wenn nun das System „Politik“ schwach ist, führt das zur Expansion anderer Teilsysteme. Hier ist v.a. die Wirtschaft zu nennen. Die hat mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump gerade einen beträchtlichen Erfolg im politischen System errungen.
Wenn es also neuer Lösungen bedarf, was wäre zu tun?
Teil II folgt bald.

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