26. Januar 2017

Rechts So - Eine konservative Raumvermessung der USA

Viele konservative Amerikaner verachten linken Intellektualismus. Straight talk, Deals, work hard! Das sind die wesentliche Dinge des Lebens, was soll das abgehobene Gelaber? Jemand Bestimmtes lieferte genau das und ist jetzt US-Präsident. Warum viele Amerikaner so schlecht auf Reflexion, Bildung und Offenheit zu sprechen sind, liegt auch an der Geographie Amerikas. 
Eigentlich stellt Lage und Ausstattung der USA eine wesentliche Voraussetzung für ihre Weltvormachtstellung dar. Das Land ist riesig (ergo kann viele Menschen beherbergen und versorgen), reich an Ressourcen (macht es unabhängig, kurbelt die Wirtschaft an), und kann von Feinden kaum angegriffen werden - die weiten Ozeane wirken wie Schutzschilder. Gleichzeitig können die Streikräfte überall dorthin gelangen, wo es brennt - im Gegensatz etwa zu Russland, dass seinen maroden Flugzeugträger mühselig um Europa herum nach Syrien schiffen musste, um ihn dort einzusetzen. Geostragegisch liegen die US-Vorteile also auf der Hand.
Doch die Stärke ist zugleich auch eine Schwäche. Die USA besitzen Millionen von Quadratmeilen Binnenland, die sogenannten "Fly-Over-states". Dort entsteht durch Riesenhaftigkeit und schlechte Anbindung Isolation.
Lange Zeit glichen die USA ihre Abgelegenheit durch Einwanderung aus, sie holten die Welt zu sich. Das hat gut funktioniert, ist aber keine Dauerlösung. Die Dynamik blieb im Wesentlichen auf Ost- und Westküste beschränkt. Zwar besteht die Bevölkerung im Heartland auch aus Einwanderen, aber deren Zuzug ist nun schon mehrere Generationen her. Das Land ist längst erobert, Grenzen und Zäune gezogen, die Felder bestellt, das Vieh gefüttert. Da bleibt nicht mehr viel zu tun in Idaho, Arkansas oder South Dakota. Große Teile der USA sind Provinz in Extremform. Hier droht durch kulturelle Verödung Gefahr.
So gesehen ist es kein Wunder, dass religiöse Extremisten im Binnenland der USA eine Heimat finden. Dort, wo wenig Weltoffenheit hinkommt, entsteht Weltfremdheit. Um dem entgegenzuwirken, müsste man eine außergewöhnliche gute Bildungspolitik betreiben, denn Austausch und damit Welt-Erfahrung findet ja relativ wenig statt. Aber das ist schwer und teuer. Im Ergebnis kochen daher die Leute im eigenen Saft, Selbstbezogenheit wird dominant.
Der Austausch ist deshalb so schwer, weil die Lage der USA doppelt isolierend wirkt: Erstens dauert es aufgrund seiner Größe, bis man überhaupt raus kommt. Zweitens: Will man nicht gleich um die halbe Welt reisen, existieren nur zwei Richtungen: Nach Norden oder nach Süden – im Osten und Westen liegt ja Wasser. Im Norden befindet sich Kanada - ähnliche Sprache und Kultur und je weiter im Norden, desto kälter. Im Süden liegt die schöne Karibik, toll zum Ausspannen, aber kulturell unspektakulär. Außerdem ähneln sich die lateinamerikanischen Staaten, Kuba einmal außen vor. Alle sprechen irgendwie spanisch, sind katholisch geprägt und kämpfen mit postkolonialen Problemen.
Die räumlichen Optionen sind also begrenzt, ganz im Gegensatz zu Europa, dass auf engem Raum ungewöhnlich viele Staaten und Kulturen beherbergt, ein Umstand, den wir viel zu gering schätzen. (Bösartig möchte ich behaupten: Der Brexit konnte nur gelingen, weil Großbritannien vom Festland durch eine Meerenge getrennt ist. Die 34 Kilometer zwischen Dover und Calais reichten, um isolationistische Tendenzen in Großbritannien Vorschub zu leisten.)
Die USA können so unglaublich provinziell sein oder anders gesagt: Das Land der Extreme wird auch durch seine extreme Geographie extrem.

1 Kommentar:

  1. Kurze Anmerkungen:
    Quatsch:
    1. Rocketrockers klischeehafte Meinung über die Karibik sei ihm, betr. mangelnder eigener Erfahrung, verziehen.
    Richtig:
    2. Historiker sahen den Brexit kommen - im Gegensatz zu Umfargeinstituten. Denn gerade bei älteren Briten ist die Verherrlichung der "splendid isolation" noch Teil der DNA. Und tatsächlich: Die "glücklichere Geschichte Englands" (Bismarck) wäre ohne die Insellage anders verlaufen.
    3. Ja, die Stärken der USA werden zu ihrer Schwäche. Dementsprechend ist der Rückzug Trumps ein Reflex. Hoffentlich irrt sich hier die geschichtliche Analogie: Rückzugstendenzen hatten die USA jedesmal vor großen Kriegen - in die sie dann doch verwickelt wurden.
    4. Unser Bildungssystem ist übrigens auch dramatisch veraltet, beinahe preußisch-militärischen Vorbilds. Aus Zeiten als man binäre Codes nur von Wilhelm Leibniz kannte. Der Austausch der europäischen Halbinsel wirkte dagegen. Selbst in Zeiten der Schriftlosigkeit, also bis nach der Druckerpresse, war er zivilisationsfördernd.

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