27. Januar 2018

The End of the Fucking World. Endlich! – beinahe.


Nach den Comics von Charles Forsman erzählt Jonathan Entwistle die Geschichte zweier Teenager, die aus ihrer englischen Kleinstadt – Alyssa: The most boring town on the planet – und vor ihren Eltern – Alyssa: Your Dad´s a prick James: I know – davonlaufen. Eine weitere Comic-Verfilmung. Gott sei Dank nicht schon wieder mit Superhelden. Ein weiteres Roadmovie. Gott sei Dank mal wieder.

Spoilertext. Die sehenswerte Geschichte beginnt als herbe Love Story. Alyssa (Jessica Barden) ist ein herrlich rotziges Miststück. Und der steife, apathische, asexuelle James (Alex Lawther) hält sein Versprechen, nicht langweilig zu sein. Alyssa ist sein Motor und sie holt das Innenleben des schweigsamen Sonderlings ans Tageslicht.

Mit einem Schlag in Dad´s Gesicht – er ist eigentlich gar nicht so ein prick – verlassen Beide die Welt. Und das nicht nur räumlich. Gleich in der ersten Folge zerstört sie ihr Handy. Dann fallen sie aus der Zeit. Getragen von einem nostalgischen Soundtrack und einer verregneten Landschaft, die unter einem tristen Farbfilter liegt (oder ist das in England gar nicht nötig?). Kein YouTube, keine Sozialen Medien, keine Marken, keine Superstars. Nichts womit junge Menschen ältere Menschen nerven. Und zwar nicht, weil sie ältere Menschen provozieren, sondern weil sie solche Marketing- und Konsumopfer sind. Die Welt von Alyssa und James ist hingegen eine erfrischend anarchische anytime. Sie zerstören Autos und klauen, sie lügen und beleidigen und am krassesten: Sie benutzen Telefonzellen!

Erst durch ihre Diebstähle und vor allem einen Mord/Selbstverteidigung machen die Teenager die Serie zu einem Roadmovie. Denn zunächst beginnt es als eine Flucht ohne Verfolger. James Vater ist zu gutmütig und Alyssas Mutter ist zu sediert, um wirklich aktiv zu werden. Erst als der selbst ernannte Psychopath James sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und jemanden ermordet, rufen sie die Polizei auf den Plan. Ein lesbisches Ermittlerduo in der Beziehungskrise nimmt ihre Spur auf.

Die beiden Hauptdarsteller stechen aus einem Ensemble skurriler Gestalten hervor, die alle irgendwie pervers und/oder kaputt sind. Die Dialoge sind, inspiriert von der Mini-Comic-Vorlage, ebenso kurz und eindringlich wie die Folgen, die nur jeweils 20 Minuten dauern. Mehr braucht es nicht, um eine Welt zu entwerfen, in der Anarchie das Mittel gegen Trostlosigkeit ist. They got money, they feel safe, sagt James bevor sie ihr den Rücken kehren. Oder mit Alyssas Worten: You never gonna see me again. Fuck off.

Da ist es beinahe schade, dass James und Alyssa tragische Familienhintergründe brauchen. Kann Anarchismus nicht mehr Selbstzweck sein? Muss er sozial verträglich erklärt werden? In einer Welt voll Dexters, dem Serienkiller, der aber wirklich nur böse Menschen tötet, traut sich The End oft he Fucking World – beinahe – sein Grundmuster ohne Entschuldigungen durchzuhalten. Seit z. B. "Liquid Sky" wissen wir, dass Indie-Filme keine exzessive Gewalt brauch(t)en, um kompromisslos zu sein. Obwohl es nie gut endet, machen solche Filme Hoffnung, indem sie uns eine alternative Existenzform zeigen. Es gibt Türen in eine andere Welt. The End oft he Fucking World traut sich auch hindurch zu gehen! – beinahe.

1 Kommentar:

  1. Mein großes Problem an dieser Serie war der Mord. Ich empfand das Blutvergießen als völlig unnötig, aber vor allem trieb es die Charaktere unnötig weit ins Abseits. Ich sehe es ähnlich: nur beinahe gut.

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