22. September 2017

Die Bundestagswahl am Sonntag. Thesen und zwei Schlussfolgerungen.

Einige Thesen und eine daraus abgeleitete Folge, weshalb der nächste Sonntag denkwürdig werden kann. Zunächst etwas Triviales und Naheliegendes. Jeder weiß: 1. Angela Merkel wird wieder Kanzlerin.
Der unspektakuläre und sichere Sieg wird einige Unionswähler vom Urnengang abhalten. Vor allem weil die amtierende Kanzlerin bisher einen Wahlkampf verweigert hat, was nicht unbedingt mobilisierend für die eigenen Unterstützer gewirkt haben kann.

2. Die Grünen sind als Establishment- und Verbots-Partei müde geworden. Die Linke ist deutlich vitaler. Diese beiden kleinen Parteien können auch Wähler mobilisieren, die Angst vor einer rechtsaußen Partei im Bundestag haben. Beide nehmen sich aber auch Stimmen des linken Spektrums ab. Die FDP hat einen guten Fotografen für die Portraits von Christian Lindner engagiert. Er wird vor allem der CDU Stimmen abnehmen. 

3. Recep Erdogan hat die türkischstämmigen Wahlberechtigten - ca 1,2 Millionen - aufgefordert, diesmal nicht SPD oder CDU zu wählen. Diese Gruppe steht der SPD nahe. Wie wirksam der Aufruf ist, lässt sich schwer abschätzen.

4. Es gibt auch zwei Tage vor der Wahl noch ca. 30% Unentschlossene.

5. Meinungsforschungsinstitute haben seit Trump und Brexit keinen zuverlässigen Ruf. In welche Richtung kann der Irrtum diesmal gehen? In Richtung AfD, da diese Partei als politisch unkorrekt gebrandmarkt ist. Deshalb werden vor allem potenzielle Wähler dieser Partei bei Umfragen nicht ihre wahren Wahlabsichten offenbaren.

6. Das vor dieser Wahl freigestzte Wutpotenzial hat die Kraft, neue Wählerschichten zu mobilisieren. Brandbeschleuniger gibt es viele: die Flüchtlingskrise und die entmündigende "Alternativlos"-Politik der Regierung dürften die wichtigsten sein. Andere, wie Digitalisierung und Globalisierung, erzeugen ebenfalls ein Gefühl der Ohnmacht, auch wenn sie über der deutschen Politik stehen. Menschen, die bisher aus Enttäuschung, Desillusionierung, Fatalismus nicht als Wähler in Erscheinung traten, sind nur schwer statistisch zu erfassen, wie wir bei Trump gesehen haben. Bei Vielen ist Unzufriedenheit zur Wut geworden. Diese Wut wird von der Gesellschaft nicht aufgefangen, vielmehr erzeugt sie Unverständnis. An undurchlässigen Grenzen schäumen die Wogen besonders hoch, wie man an den immer unversöhnlicheren Debatten in den Medien und im öffentlichen Raum sieht, die Argumente zunehmend durch Stigmatisierung ersetzen. Kein neues Phänomen. Um 1900 hatte der französische Politiker Jean Jaurés festgestellt: "Die kleine Empörung entfernt sich von der Politik, die große führt zu ihr zurück."

=>

Laut Insa hat die SPD 21% und die AfD 13% der Stimmen. Rechnet man die obigen Thesen mit ein, könnte es zu einer faustdicken Überraschung kommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen