5. Mai 2016

Trumps Triumph

Donald Trump hat die Vorwahlen zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten gewonnen, seine Widersacher Ted Cruz und John Kasich haben soeben aufgegeben. Der Populismus gewinnt in der republikanischen Partei Oberhand, zumindest vorläufig. Sascha Lobo kommt zu dem Schluss:
"Trumps Erfolg hängt stark mit medialen Entwicklungen zusammen und basiert auf der Ablehnung von "Politischer Korrektheit", Trumps vermeintlicher Unabhängigkeit von Medien und Geld und auf Irrationalität." 
Die Analyse ist lesenswert, dennoch greift sie zu kurz. Anders als Lobos Kolumne suggeriert, hängt Trumps Erfolg nur zum kleineren Teil mit aktuellen Entwicklungen zusammen. Trumps Wähler fühlen sich hinters Licht geführt. Und das hat Ursachen, die sich schon vor der Internet-Ära manifestierten.

Zunächst kurz zu Lobos Kolumne: Bei der Verbreitung von "rechten" Inhalten in den Medien sind aktuelle Entwicklungen zwar noch am stärksten prägend, doch auch in diesem Fall liegen die Wurzeln tiefer. Die Kritik an den Eliten ("die-da-oben", "die-im-Fernsehen") hat in den Vereinigten Staaten Tradition, durchaus auch von rechts. Zu Political Correctness: Schon vor 20 Jahren gab es während der Clinton-Administration darüber Auseinandersetzungen (damals wurde PC überhaupt erst präsent), wenn die Debatten auch anders gewendet waren (Das schreibt auch Sascha Lobo). Und schließlich: Ebenso in den 90ern bildete sich eine neue, fundamentalistisch agierende, erzkonservativ-populistische Republikaner-Generation. Der Prototyp damals hieß Newt Gingrich. 

Tatsächlich kommt Trump zu seinem Wahlerfolg wie die Jungfrau zum Kinde. Ich glaube, weder er, sein Geld, noch die aktuelle Gemengelage sind dafür ursächlich sondern etwas grunsätzlicheres: Tief sitzender Frust, über Jahrzehnte aufgebaut. Teile der Gesellschaft fühlen sich nicht mehr von den Eliten vertreten, oder sind zumindest über Jahre enttäuscht worden. Kann man es ihnen verdenken? Noch vor 20 Jahren, zu meiner Studienzeit, galt die Dienstleistungsgesellschaft als künftige Jobmaschine und das Silicon Valley als Keimzelle einer aufregenden, kommenden Ökonomie. Nun bin ich kein Technikfeind, finde aber doch, dass die Wirtschaftskultur in der San Francisco Bay Area zu einem libertären, deterministischen, die Menschen vor sich hertreibenden, giergen Monster herangereift ist. Allgemein ausgedrückt: Die heutige Dienstleistungsgesellschaft schafft zwar Arbeitsplätze, aber vor allem im absoluten Niedriglohnbereich. Vor allem brachte sie größere Ungleichheit. Wenige Menschen mit hoher Qualifikation verdienen sich eine goldene Nase im Bankengewerbe, oder eben im Silicon Valley, manche im Handel. Der Rest müht sich ab und geht im Zweifelsfall putzen.
Der Gesellschaftsvertrag der Demokratie beinhaltet grundsätzlich das Versprechen der Prosperität für alle, sonst stellt sie sich selbst infrage. Doch tatsächlich werden Arbeitszeiten länger, steigt der Lohn kaum, werden Jobs immer unsicherer.
Der Punkt ist nun: Das ganze passt nicht unbedingt ins klassische Schema. Links wie rechts denkende Gesellschaftsteile sind von dieser Entwicklung gleichermaßen betroffen. Die Lager reagieren nur unterschiedlich darauf. Im konservativen Spektrum kommt neben der Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang auch die Furcht vor dem Zerfall der Verhältnisse hinzu. In etwa 25 Jahren werden weiße Menschen in den USA in der Minderheit sein. Und China lauert sowieso schon ums Eck. 
Die Linken wenden sich in Teilen Bernie Sanders zu. Dessen eigentlich altbackenen sozialdemokratischen Rezepte reüssieren plötzlich. Sanders Herzenswärme tut gut, aber hilft sie? George Monbiot wirft den Linken vor, nicht wirklich auf die neuen Herausforderungen der flexiblen, leistungsorientierten Gesellschaft reagiert zu haben.   
Die Front tut sich jedenfalls irgendwo auf zwischen ungleichen Besitzverhältnissen, zwischen Eliten und einfacheren Klassen. Rechts und Links mischen sich dabei noch nicht, zum Glück, es wäre vielleicht die größte Gefahr. Social media bildet das ganz richtig ab, doch ist es meiner Einschätzung nach nicht der Auslöser. 
Wir leben in einer komplexen Transformationsphase, in der der Kuchen, der kaum noch wächst, neu verteilt werden will. Aber auch wenn die Welt unübersichtlich geworden ist, den Aufstieg Trumps zu erklären ist nicht schwer - er ist höchstens in seiner Vehemenz überraschend.
Ich habe oft den Eindruck manche Meinungsmacher verstehen das nicht. Sie veurteilen pauschal die Entwicklung und die, die irrational handeln und wählen. Vielleicht, weil sie selbst nicht betroffen sind? Trump und die AfD reüssieren, weil die Leute Angst haben und frustriert sind. Kein Wunder, ihnen geht es nicht gut. Die, die versprachen zu helfen, haben es nicht genügend getan und deswegen wenden sich manche Wähler den Extremen zu. Dass auch in unsicheren Zeiten flegelhafte Aufschneider, für die das Wort "Flitzpiepe" noch deutlich zu schwach ist, kein Option sein sollten, steht auf einem anderen Blatt.
Einst, in einer turbulenten Zeit, als gerade der deutsche Außenminister Walther Rathenau einem Attentat zum Opfer fiel, sagte Reichskanzler Joseph Wirth zurecht: "Der Feind steht rechts." Doch Donald Trump passt nicht in dieses Schema. Er ist auch nicht von Medien gemacht. Seine Wahl ist letztlich nichts anderes als pure Verzweiflung. Und wir, die progressiven wie die konservativen Eliten, täten gut daran, dieses Alarmsignal ernst zu nehmen und von unserem hohen Ross abzusteigen.

Dieser Post ist auch eine Fortführung dieses Posts um den Vergleich Hitler-Trump.

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